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Leseschwäche erkennen und Lesefähigkeiten entwickeln

Eigentlich ist Lesen einfach – wenn man es denn kann. Es geht quasi „nebenher“ und nur wenn man abgelenkt ist oder der Text viele fremde Wörter enthält, fällt auf, dass Lesen eigentlich gar nicht so einfach und selbstverständlich ist. Und auf einmal kann man deutlich leichter nachvollziehen, dass manche Menschen Probleme mit dem Lesen haben.

Besonders gut zu beobachten ist der Lernprozess des Lesens bei den Leseanfängern in der ersten Klasse. Die neuen Erstklässler müssen lernen, viele einzelne Buchstaben zu einem Wort zu verbinden, es zu lesen und letztendlich auch zu verstehen. Die Komplexität und der hohe Anspruch des Lesens werden manchem erst hier wieder richtig bewusst.

Alexander ist ein Leseprofi

Alexander (4. Schuljahr) erzählt: „Ich lese gern Bücher mit Geschichten und Hefte, aber neue, und wenn ich keine neuen Bücher oder Hefte habe, dann lese ich welche, von denen ich den Inhalt vergessen habe. Meistens lese ich leise, weil ich dann schneller fertig bin. Ich lese auch nachts, dann schlafe ich beim Lesen ein. Ich lese manchmal laut, nämlich wenn ich ein Wort nicht verstanden habe, wenn ich meinem Bruder vorlese und am Anfang, wenn ich nachts lese. Wenn ich ein Wort nicht verstanden habe, dann lese ich das Wort noch einmal, bis ich es verstanden habe. Wenn ich nicht weiß, was ein Wort bedeutet, dann gucke ich, ob es nicht dabeisteht, wenn nicht, dann versuche ich es herauszufinden, und wenn das nicht hilft, dann frage ich meine Eltern.“ (Auszug aus dem Buch „Das Erlebnis des Lesens. Grundlagen einer erzählenden Lesepsychologie“, S. 246, von Dr. Emil Schmalohr, erschienen im Verlag Klett-Cotta, Stuttgart 1997)

Erkennen einer Leseschwäche

Doch nicht bei allen Kindern funktioniert das Lesen so gut wie bei Alexander. Viele Kinder haben dabei Schwierigkeiten. Der aktuelle Forschungsstand benennt die Leseflüssigkeit als einen wichtigen Hinweis auf die Entwicklung des Leseprozesses. Ein erster Indikator für Eltern, dass eine Leseschwäche bestehen könnte, ist damit die Lesegeschwindigkeit, die sogenannte Leseflüssigkeit. Hier geht es nicht nur darum, dass die Buchstaben A, P, F, E, L auch als das Wort Apfel erkannt werden, sondern vor allem auch, wie schnell. Bemerken Eltern hier erste Schwierigkeiten bei ihrem Kind, sollten sie nicht abwarten, sondern versuchen, so früh wie möglich einzugreifen und ihr Kind zu fördern.

Erkenntnisse aus Wissenschaft und Praxis zeigen, dass eine frühzeitige Förderung eines leseschwachen Kindes dazu führt, dass sich die Lesefertigkeit besser dem Stand der guten Leser angleicht und nahezu vollständig aufgeholt werden kann (sog. Matthäus-Effekt).

Was können Eltern betroffener Kinder tun?

Eltern können erst mal vieles zu Hause im gewohnten Umfeld tun. Die Lerntherapeuten der PTE empfehlen dazu die folgende Vorgehensweise:

1) Behalten Sie bereits ab Lesebeginn die Leseflüssigkeit im Auge. Regelmäßiges Lesen zusammen mit Ihrem Kind zeigt Fortschritte und Probleme frühzeitig auf.

2) Wenn Probleme beim Lesen auftauchen, raten unsere Fachkräfte dazu, zunächst das Gespräch mit dem Deutschlehrer zu suchen. Die Beratungslehrer einer Schule führen bei Bedarf einen Lesetest, z. B. den Salzburger Lese- und Rechtschreibtest (SLRT II) durch. Ein Vergleich mit den Durchschnittsergebnissen gleichaltriger Kinder ermöglicht eine gute Einschätzung, ob eine Leseschwäche besteht oder nicht.

3) Bestehen Defizite im Lesen, z. B. langsames, stockendes oder fehlerhaftes Lesen oder ein buchstabenweises Erlesen von Wörtern, können Eltern ihre Kinder entsprechend des „Zwei-Wege-Modells“ mit verschiedenen Herangehensweisen fördern. Dadurch wird den Kindern ermöglicht, Wörter auf zwei verschiedene Arten zu lesen: über den direkten Weg der Ganzworterkennung oder den indirekten Weg über das Erlesen mit der Silbenmethode und Rechtschreibstrategien. Durch gemeinsames lautes Lesen als „Lesetandem“ kann die Lesegenauigkeit verbessert werden.

3a) Direkter Weg = Blitzleseübung: Diese dienen zum schnellen Erfassen ganzer Wörter. Begonnen wird mit kurzen, einsilbigen Wörtern, die abgedeckt und kurz aufgedeckt werden. In der kurzen Phase des Aufdeckens übt das Kind das Erkennen und Lesen des Wortes. Die Wortlänge kann mit der Zeit gesteigert werden.

3b) Indirekter Zugang = bei längeren und/oder schwierigen Wörtern: Hier wird Silbe für Silbe gelesen und das gesamte Wort damit erarbeitet. Auch Rechtschreibstrategien wie Wörter verlängern (Berg–Berge) oder Ableiten (Land–Länder) kommen hier zum Einsatz. Der Mildenberger Verlag bietet hierfür speziell Bücher mit gekennzeichneten Silben an.

3c) Lesetandem: Das Lesetandem ist eine Leseübung, die mit einem Partner durchgeführt wird. Ein Partner ist dabei der Sportler, der andere der Trainer. Beide Partner – Sportler und Trainer – lesen gemeinsam laut vor. Macht der Sportler einen Fehler, wird der Satz noch mal gemeinsam begonnen, bis er fehlerfrei gelesen wird. Bis zu vier Mal kann ein Satz wiederholt werden. Ist der Sportler beim Lesen sicherer geworden, werden die Rollen getauscht. Der bisherige Sportler wird dann Trainer. Ziel dieser Übung ist, sich gut zu konzentrieren, aufmerksam laut mitzulesen und genau hinzuschauen.

Die PTE hilft

Bis hierhin können Sie als Eltern selbst aktiv werden. Sollten Sie jedoch merken, dass sich die Leseprobleme nicht verbessern, Sie an Ihre Grenzen kommen und die Beziehung zu Ihrem Kind und das Familienleben unter der Situation leiden, sollten Sie sich externe Unterstützung suchen.

Die PTE ist bundesweit für Sie da und hilft Ihnen mit qualifiziertem Fachwissen und Fachkräften aus Pädagogik und Psychologie weiter.

Kontaktieren Sie uns! Zusammen finden wir den besten Weg für Ihr Kind!

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