Chancengleichheit

Chancengleichheit durch Nachteilsausgleich

Durch den Nachteilsausgleich soll Chancengleichheit zwischen allen Schüler*innen entstehen. So dürfen Kinder mit Lese-/Rechtschreibschwäche zum Beispiel in der Prüfungssituation länger arbeiten oder bestimmte Hilfsmittel wie Wörterbücher nutzen. Die Rahmenbedingungen werden also so angepasst, dass die Schüler*innen trotz ihrer Nachteile ihr fachliches Wissen zeigen können. Für den Bereich Lese-/Rechtschreibschwäche wurden von der Kultusministerkonferenz der Bundesländer bereits Grundsätze zur Leistungsbewertung beschlossen, die allerdings je nach Bundesland unterschiedlich angewendet werden.

Nun fordern die „Jungen Aktiven“ im BVL auch eine bundesweit einheitliche Regelung für den Nachteilsausgleich bei Dyskalkulie.

Durch unseren Aufruf in den sozialen Medien zur Teilnahme an der Petition „Dyskalkulie: Chancengleichheit, jetzt!“ unterstützen wir dieses Vorhaben. Hier gelangen Sie zu der Aktion.

Leistungsbewertung bei LRS

Der Beschluss der Kultusministerkonferenz vom 04.12.2003 besagt:

„Auch Schüler*innen mit besonderen und langanhaltenden Schwierigkeiten im Lesen und Rechtschreiben unterliegen in der Regel den für alle anderen geltenden Maßstäben der Leistungsbewertung. Ein Nachteilsausgleich oder ein Abweichen von den allgemeinen Grundsätzen der Leistungsbewertung kommt beim Erlernen von Lesen und Rechtschreiben in Betracht und wird mit andauernder Förderung in den höheren Klassen wieder abgebaut.“

Das bedeutet, dass als Nachteilsausgleich unterschiedliche Hilfen angeboten werden, wie:

  • Verlängerung der Arbeitszeit bei Klassenarbeiten
  • Bereitstellung von technischen und didaktischen Hilfsmitteln (Computer, Wörterbücher)
  • Nutzung methodisch-didaktischer Hilfen (Lesepfeil, größere Schrift, optisch klar strukturierte Tafelbilder und Arbeitsblätter)
  • Einordnung der schriftlichen und mündlichen Leistung unter dem Aspekt des erreichten individuellen Lernstands
  • Pädagogische Würdigung von Anstrengung und Lernfortschritten
  • Stärkere Gewichtung mündlicher Leistungen, insbesondere in Deutsch und Fremdsprachen
  • Verzicht auf eine Bewertung der Lese- und Rechtschreibleistung nicht nur im Fach Deutsch, sondern auch in anderen Fächern und Lernbereichen
  • Nutzung des pädagogischen Ermessensspielraumes und zeitweise Verzicht auf die Bewertung der Rechtschreibleistung in Klassenarbeiten während der Förderphase

Alle Abweichungen von den üblichen Bewertungsregelungen müssen ihre Grundlage in den individuellen Förderplänen und Lernplänen der Schüler*innen haben und dokumentiert sein.

In Zeugnissen kann vor allem in der Grundschule auf die Bewertung der Leistungen im Lesen und Rechtschreiben zeitweise verzichtet werden. Abweichungen sind jedoch in geeigneter Weise im Zeugnis zu vermerken.

Wenn es um die Versetzung oder den Übergang in eine weiterführende Schule geht, sind folgende Vorgaben zu beachten:

„Bei der Entscheidung der Schule über die Versetzung oder über den Übergang in eine weiterführende Schule ist vorrangig die Gesamtleistung der Schüler*in zu berücksichtigen. Abschlüsse, Prüfungssituationen Abschlussverfahren, Abschlussprüfungen, Abschlusszeugnisse und Abschlussvergaben sind für den weiteren Bildungs- und Berufsweg der Schüler*innen von ausschlaggebender Bedeutung. Die Leistungsbewertung muss sich daher bei Abschlüssen wegen des grundgesetzlich vorgegebenen Gleichbehandlungsgebots, insbesondere im Hinblick auf die freie Wahl von Beruf und Ausbildungsstätte, nach einheitlichen Kriterien richten. Ein dem jeweiligen Einzelfall angemessener Nachteilsausgleich ist in einer Prüfungssituation zu gewähren, wenn durch eine besonders schwere Beeinträchtigung des Lesens und Rechtschreibens allein der Nachweis des Leistungsstands, also die technische Umsetzung durchaus vorhandener Fähigkeiten, Fertigkeiten und Kenntnisse, erschwert wird und wenn die Beeinträchtigung in der weiteren Berufs- oder Hochschulausbildung durch Hilfsmittel ausgeglichen werden kann. Die Feststellung, ob die Voraussetzungen für die Anpassung der äußeren Prüfungsbedingungen an die besonderen Bedürfnisse des betroffenen Prüflings vorliegen, ist eine schulische Entscheidung, die einer landesrechtlichen Regelung bedarf. Eine der Prüfung unmittelbar vorangegangene mehrjährige schulische Förderung ist ein Indiz für die Gewährung eines Nachteilsausgleichs. Die schulische Förderung soll dokumentiert sein. An der Feststellung der Voraussetzungen für die Gewährung eines Nachteilsausgleichs ist die Lehrkraft für das Fach Deutsch zu beteiligen. „ (vgl. Beschluss der Kultusministerkonferenz, 04.12.2003)

Bemerkungen über die Gewährung eines Nachteilsausgleichs, wie die Verlängerung der Bearbeitungszeit für eine Prüfungsaufgabe, gehören nicht in das Abschlusszeugnis.

Leistungsbewertung bei Dyskalkulie

Der oben aufgeführte Beschluss ist nun bald 20 Jahre alt und sieht zwar für die Förderung von Kindern mit Legasthenie eine klare Regelung zum Nachteilsausgleich vor, doch für den schulrechtlichen Umgang mit Dyskalkulie leider nicht. Bisher haben nur wenige Bundesländer Vorgaben, um Schüler mit Rechenstörung angemessen zu fördern. Im genannten Beschluss wird davon ausgegangen, dass es nicht ausreichend wissenschaftliche Erkenntnisse gibt, um auch für Menschen mit Dyskalkulie eine einheitliche Regelung zum Nachteilsausgleich aufzustellen.

Doch die „Jungen Aktiven“ des BVL vertreten die Meinung, dass die Dyskalkulie mittlerweile weitgehend erforscht ist – beispielsweise wurde 2018 die medizinische S3-Leitlinie zur Diagnostik und Behandlung der Rechenstörung veröffentlicht.

Sie führen an, dass 3-8 Prozent aller Menschen Dyskalkulie haben und dadurch an der Teilhabe am Leben in der Gesellschaft beeinträchtigt sind. Daher haben sie einen Anspruch auf den Nachteilsausgleich. Die „Jungen Aktiven“ berufen sich dabei auf den Artikel 3 III im Grundgesetz: „Niemand darf wegen seiner Behinderung diskriminiert oder benachteiligt werden.“ und fordern ein Recht auf Nachteilsausgleich bei Dyskalkulie bis zum Abitur in allen Bundesländern.

Mit ihrer Petition „Dyskalkulie: Chancengleichheit, jetzt!“ richten sie sich gemeinsam mit den Landesverbänden des BVL an die Kultusministerkonferenz, die Landesparlamente und die Kultusministerien.

Über die "Jungen Aktiven" des BVL

Über die „Jungen Aktiven“ des BVL

Die „Jungen Aktiven“ sind eine Gruppe junger Leute aus ganz Deutschland im Alter von 15 bis 35 Jahren mit einer Besonderheit: Sie alle haben eine Lese-Rechtschreibstörung, eine Rechenstörung oder sogar beides. Daher wissen sie, was es heißt, nicht wie alle anderen lesen, schreiben oder rechnen zu können. Sie tauschen sich untereinander aus und sprechen über Erfahrungen. Dabei geben sie sich gegenseitig Tipps für jede Lebenslage: Schulabschluss, Ausbildung, Studium oder die berufliche Orientierung. Mit ihrem Mentoring Angebot bieten sie eine besondere Begleitung für Jugendliche mit Legasthenie oder Dyskalkulie an.

Als Teil des BVL (Bundesverbands für Legasthenie und Dyskalkulie e. V.), bei welchem auch die PTE Mitglied ist, stehen sie hinter dem Ziel, für Menschen mit Legasthenie und Dyskalkulie Chancengleichheit in Schule, Ausbildung und Beruf durchzusetzen und dafür auch ein gesellschaftliches Bewusstsein zu schaffen.

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