Als Klasse klasse
Dass sich Kinder und Jugendliche in ihrer Klasse rundum wohl fühlen und sich tatsächlich als Teil einer Gemeinschaft sehen, passiert selten von selbst. In unserem Online-Expertenvortrag am 18. November 2022 sprach Referentin Dr. Kirsten Schuchardt über das Thema, benannte Risikogruppen und gab konkrete Tipps und Handlungsempfehlungen für den Unterricht.
Inhalte
Mit einem positiven Klassenklima zum Lernerfolg
Gerade in Zeiten großer Heterogenität an Schulen ist die Schaffung eines positiven Klassenklimas für den Lernerfolg sowie das Wohlbefinden von Schülerinnen und Schülern unabdingbar.
Erfahrungen zeigten hierbei, dass allein durch das gemeinsame Unterrichten im Klassenverband nicht gewährleistet wird, dass alle Kinder auch automatisch in der Klasse sozial eingebunden sind. Den Lehrkräften kommt bei der Entwicklung des Klassenklimas somit eine ganz besondere Rolle zu. Denn wie auch im Vortrag betont wurde, hat das Lehrkraftfeedback einen großen Einfluss auf die soziale Akzeptanz von Kindern: Die Kinder nutzen das Feedback gegenüber einem Schulkind als soziale Referenz für die eigene soziale Beziehung gengenüber diesem Kind. Das heißt, dass positives Lehrkraftfeedback gegenüber einem Schulkind seine soziale Akzeptanz in der Klasse verbessert, negatives Feedback vermindert die soziale Akzeptanz eines Kindes hingegen in großem Ausmaß. So hat auch ungewolltes Feedback durch die Lehrkraft (Aufmerksamkeit schenken oder Nichtbeachten) massive Auswirkungen auf Ausgrenzungs- und Ablehnungstendenzen.
Kinder mit Lernstörungen und AD(H)S als Risikogruppe
Ein besonders hohes Risiko, ausgegrenzt zu werden, haben Kinder und Jugendliche mit sonderpädagogischem Unterstützungsbedarf (SPU), mit Lernstörungen und mit Verhaltensauffälligkeiten. Dabei zeigt sich, dass in den letzten 20 Jahren die erste Gruppe immer weitergewachsen ist: Mittlerweile ist in jeder fünften Regelschulklasse mindestens ein Kind mit SPU. Diese Kinder sind schlechter in die Klasse integriert und werden häufiger abgelehnt – ihr Risiko zum Außenseiter zu werden ist dreimal höher als vergleichsweise das eines Kindes ohne SUP (Huber, 2009).
Ein wichtiges Mittel, um dem als Lehrkraft entgegenzuwirken, ist die Aufklärung: Werden die Beeinträchtigungen betroffener Schüler*innen in der Klasse offen angesprochen, trägt dies zur Verbesserung der Toleranz und Akzeptanz bei.
Eine Befragung von 257 Lehrkräften, durchgeführt von der Universität Hildesheim, verdeutlichte, dass Lehrer*innen zwar motiviert sind, über Lernstörungen aufzuklären, doch nur 23,5 % der Befragten dies auch tatsächlich tun. Die häufigsten Gründe dafür sind:
- sie wollen betroffene Kinder nicht stigmatisieren
- zu wenig Zeit im Arbeitsalltag
- fehlendes Material und Kompetenz zur Aufklärung über Lernstörungen
Diese Gründe entkräftete Frau Dr. Schuchardt umgehend mit dem Einwand, dass Kinder mit Lernstörungen nicht unter Stigmatisierung leiden, sondern eher unter der Angst, dass ihre Lernschwierigkeiten als mangelnde Intelligenz interpretiert werden und sie für dumm gehalten werden. Durch eine Aufklärung der Klasse über Lernstörungen wird den betroffenen Kindern diese Angst genommen und eine Verbesserung ihres Wohlbefindens in der Schule und des Klassenklimas wird erreicht.
Um auf das fehlende Material zur Aufklärung über Lernstörungen einzugehen, verwies Frau Dr. Schuchardt an uns von der PTE – denn wir als Experten auf diesem Gebiet unterstützen Sie dahingehend gerne.
Außerdem empfiehlt Sie eine Folge der "Sendung mit der Maus" zum Thema LRS:
https://kinder.wdr.de/tv/die-sendung-mit-der-maus/av/video-was-ist-lrs-100.html
Und ein Projekt der Uni München zur Aufklärung über Lernstörungen und psychische Belastungen bei Schulkindern:
Weitere Maßnahmen zur Klassenführung
In ihrem Vortrag stellte Frau Dr. Schuchardt weitere Lern- und Unterrichtsmethoden vor und ging außerdem auf die Beeinflussung der Lehrer-Schüler-Beziehung ein. Das Thema Gruppenentwicklung war ein weiterer, tragender Inhaltspunkt des Vortrags.
Da diese Punkte sehr umfangreich sind, berichten wir an anderer Stelle zeitnah ausführlich darüber.
Die Referentin
Dr. rer. nat. Kirsten Schuchardt ist Psychologische Psychotherapeutin und arbeitet als wissenschaftliche Mitarbeiterin am Institut für Psychologie der Universität Hildesheim. Ihre Forschungsschwerpunkte liegen in der kognitiven Entwicklung der frühen Kindheit sowie im Bereich Lern- und Aufmerksamkeitsschwierigkeiten. Darüber hinaus begleitet sie wissenschaftlich die Beratungslehrkraftweiterbildung sowie eine Weiterbildung für Klassenlehrkräfte zur Entwicklung eines positiven Klassenklimas (KIK), die durch die Schulpsychologie in Niedersachsen angeboten werden.
Quellen
Huber, 2009
Huber et al., 2015
Huber et al., 2016